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Der Konflikt der Generationen

Pioniere in einer neuen Zeit - Zum Bedeutungswandel von Kindheit

Kultur

und

Mensch

Postfigurative Kulturen

Kofigurative Kulturen

Präfigurative Kulturen

Die postfigurative Kultur ist vergangenheitsbestimmt und konservativ, die Alten dominieren in der Gesellschaft und sind Gewähr dafür, dass das Bisherige erhalten und bewahrt bleibt.

Kinder und Erwachsene lernen, was die Alten vorleben, sie orientieren sich an deren Vergangenheit.

Treue, Pflicht und Beständigkeit sind die geforderten Tugenden.

Die kofigurative Kultur wird bestimmt durch die Werte, die in der fortpflanzungsfähigen, erwerbstätigen und leistungsstarken Eltern- bzw. Erwachsenengeneration vorherrschen.

Das Lernen findet unter Ebenbürtigen statt. Die Orientierung an den jeweils gegenwärtigen Notwendigkeiten ist kulturbestimmend.

Diese Kulturform ist in einem gewissen Sinn opportunistisch und verlangt Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

In der präfigurativen Kultur lernen die Alten und Erwachsenen von den Jugendlichen. Die Kultur befindet sich in einer Pioniersituation, in welcher unbekannt ist, was das Neue sein wird.

Es gibt kein gültiges Vorbild mehr, an das man sich mit Sicherheit halten könnte.

Alle müssen sich mit Fähigkeiten ausrüsten, die zukunftsoffen sind.

Vergangenheitsbezug

Gegenwartsbezug

Zukunftsbezug

In einer postfigurativen Kultur geht der Wandel so langsam und unmerklich vonstatten, dass Großeltern sich für ihre neugeborenen Enkel keine andere Zukunft vorstellen können als ihre eigene Vergangenheit.

Das Individuelle hat keine Bedeutung, nur die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, ihrer Tradition und Geschichte.

Festgelegte Rituale und unberührbare Autoritäten sorgen dafür, dass die Traditionen und das Lehrgut erhalten und allfälliger Wandel ausgeschlossen bleibt.

Dies ist der Fall in vielen religiösen Sekten, in esoterischen Logen, in der katholischen und orthodoxen Kirche, in den meisten noch existierenden Monarchien, in vielen Zünften, Jagd- und Schützenvereinen, in akademischen Verbindungen...

Mangel an Zweifel und Mangel an Bewusstheit scheinen für die Erhaltung einer postfigurativen Kultur entscheidend zu sein.

Eine kofigurative Kultur ist eine Kultur, in der die Mitglieder der Gesellschaft ihr Verhalten nach dem Vorbild der Zeitgenossen ausrichten. Aktualität und stetiger Wandel sind prägend.

Zukunft ist die Vorstellung von verbesserter Gegenwart. Das Gegenwärtige hat jeweils nur für kurze Zeit Bestand, der stetige Wandel ist die einzige Konstante.

Kriege, Katastrophen, wirtschaftliche Krisen, ethnische Vertreibungen, neue Formen der technischen Entwicklung machen den bestimmenden Einfluss der Alten zunichte, weil sich diese unter den veränderten Gegebenheiten nicht mehr zurechtfinden.

Bestimmte Rituale sichern den Bestand des Gültigen. In der Arbeitswelt sind es das Qualifikations-, Beförderungs- und Entlohnungswesen innerhalb einer klaren Hierarchie.

Das Individuelle hat nur insofern eine Bedeutung, als es in die kofigurativen Strukturen der Erwachsenenwelt passt.

Der Wandel in der kofigurativen Kultur wird als Fortschritt empfunden. In Wirklichkeit wird aber meist nur das Bisherige verbessert oder effizienter organisiert.

Die kofigurative Gesellschaft reproduziert sich selbst.

Ähnlich wie die kofigurativen Gesellschaften auf einem Bruch zur vorangehenden, so basiert auch die präfigurative Kultur auf Einbrüchen, die von der herrschenden Generation nicht mehr bewältigt werden können.

Der ständige Wandel erreicht ein Tempo und eine Dimension, welche die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Erwachsenen überfordert.

Denn das Neue ist unbekannt und noch unbetreten. Dies erzeugt zunächst Angst, bewirkt eine ständige Suche nach Sicherheit und vielfach eine Flucht nach vorn. Mitmachen gilt als einzige Rettung.

Erwachsene, die mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten können, fühlen sich ständig gestresst und überfordert. Ausbrennen und Krankwerden gehören zu den negativen Symptomen, die andeuten, dass die kofigurative Gesellschaft an ihre Existenzgrenzen gelangt ist.

Weder die Vergangenheit noch die Gegenwart geben durch Vorbilder die nötige Sicherheit und Orientierung. Zukunftsoffenheit, d.h. Phantasie, Intuition, Mut und Pioniergeist sind vonnöten, um vor den neuen Herausforderungen zu bestehen.

Das ist die Situation des
neugeborenen Kindes.

Die präfigurative Kultur ist wie ein Samenkorn, das gerade am Aufkeimen ist,
verletzlich und zukunftsoffen. Sie bedarf einer einfühlsamen, neuernden und selbstlosen Fürsorge,
wie wir sie heute noch nicht annähernd praktizieren.
In den 60er- und 70er-Jahren war weltweite Solidarität mit den Unterdrückten, Entrechteten
und Benachteiligten das Motto, das in erster Linie von Jugendlichen ausging
oder bei ihnen ein begeistertes Echo fand.

Die jugendliche Generation war es, in der die Idee der Menschengemeinschaft
in der globalen Welt geboren und praktiziert wurde -
ohne grundsätzlichen Machtanspruch und ohne versteckte Hintergedanken.

Deshalb können wir hoffen, dass in der präfigurativen Kultur die Welt eine Gemeinschaft ist,
mit dem tragenden Gedanken, dass alle Menschen im gleichen Sinne Menschen sind.

In der kofigurativen Kultur bekommt das Individuelle des Menschen einen neuen Stellenwert:
Es leitet sich nicht mehr von Vergangenem ab, auch nicht mehr vom Hineinpassen in die gegenwärtige Gesellschaft, das Individuelle wird wie zum Kristallisationskern für das Zukünftige.

Aus der Individualität des Menschen werden die Kräfte kommen,
die der Gemeinschaft zufließen müssen.

Einer konsequent am Menschen und seiner Entwicklungsfähigkeit orientierten Pädagogik
kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Sie ist die Herausforderung für das 21. Jahrhundert.

Die Erziehungskunst Rudolf Steiners ist beseelt von dieser Aufgabe.
Sie gibt uns mit der Menschenkunde Mittel in die Hand, die Gestaltung einer präfigurativen Kultur zukunftsoffen anzugehen und Wirklichkeit werden zu lassen.

 Pioniere in einer neuen Zeit

der NEUE Mensch